Ja, es gibt sie, die selbstkompostierenden Flachdachkonstruktionen. Ich erlebe diese mehrmals im Jahr in unterschiedlichen Gegenden Österreichs und auch im benachbarten Ausland. Immer wieder wird gemeint, der Bauwerksabdichter trägt Schuld an der Misere.
Natürlich gibt es Situationen, da sind bei genauer Untersuchung Verarbeitungsfehler festzustellen. Meist sind das Objekte, welche erst kurz, also unter drei Jahren, fertiggestellt wurden. Da kommt es zu Wassereintritten in das Objekt, der Investor reklamiert einen Ausführungsmangel, der Bauwerksabdichter bestreitet, man einigt sich auf einen Sachverständigen als Schiedsmann oder, das ist aus meiner Sicht das letzte, was man machen kann und zudem die teuerste Lösung, es werden die Gerichte angerufen.
In der ÖNORM B 2110 heißt es: Tritt ein Mangel bis sechs Monate nach der Übergabe eines Werkes auf, ist davon auszugehen, dass der Mangel bei der Übergabe bereits bestanden hat. Bei bis zu zehn Jahren nach der Errichtung behaupteten Mängeln, hat der Unternehmer die Möglichkeit, die Verpflichtung nachzuweisen, dass der Mangel nicht von ihm, durch seine Leistung verursacht wurde. Ab dem zehnten Jahr tritt die Beweislastumkehr ein, der Investor muss dann beweisen, dass der Unternehmer den behaupteten Mangel verursacht hat. Leider gelingt der Beweis dem Investor aus meiner Sicht mangels vorgenommener Dokumentation der Leistungen durch den Unternehmer, allzu oft.
Gerade bei Holzkonstruktionen mit Abdichtungen aus Folienwerkstoffen tritt das Versagen der Holzkonstruktion bei der heute aus jedem Winkel kommenden Werbung für PV-Anlagen häufig auf und führt auch oftmals zu streitigen Auseinandersetzungen. Imme wieder ist festzustellen, dass der gesamte Aufbau der Konstruktion für die Nutzung nicht geeignet ist, verschiedene Parameter bei der Berechnung und Festlegung des Schichtenaufbaues nicht berücksichtigt worden sind.
Mit den Bildern 1 und 2 zeige ich PV-Anlagen auf Dachflächen, welche zum Zeitpunkt der Errichtung der Anlage bereits ca. 10 bis 12 Jahre alt waren und bis zur Errichtung der Anlagen keine Wassereintritte, also Mängel festgestellt und/oder behauptet wurden. Fünf bzw. sieben Jahre nach der Errichtung der PV-Anlagen war die Holzkonstruktion in dem mit den Bildern 3 und 4 dargestellten Zustand. Das Bild 5 zeigt die mit Bild 3 dargestellte Dachkonstruktion in einem, nicht von der PV-Anlage beschatteten Bereich. Die Objekte waren also zum Feststellungszeitpunkt des Schadens ca. 17 Jahre genutzt worden und es hatte, wie mir vom Hausverwalter versichert wurde, keine Reklamation gegeben. Die Nachfrage nach der jährlichen Wartung und der jährlichen Feststellung nach ÖNORM B1300 wurde negativ beantwortet. Die Objekte wurden genutzt, weder vor noch nach der Errichtung der PV-Anlage hat sich jemand um den Zustand der Dachflächen gekümmert. Das böse Erwachen kam erst, als es an einer Stelle zu einem Wassereintritt kam.
Die Folgen der Verschattung der Dachfläche, insbesondere an jenem Objekt, an dem der schwere Oberflächenschutz auf der Folie aufgebracht war, hatte dramatische Folgen, wenn man das Bild 4 betrachtet. Die aufgeständerte Anlage war in etwa nach Süd-Westen ausgerichtet worden. Daher hat die Morgensonne die Dachfläche und die Rückseite der Module erwärmt. Mit dem Fortgang des Tages verschattete die Dachfläche unter den Modulen, es trat Kondensat auf. Dieses hatte nicht die Möglichkeit durch die Dachhaut (aus Folie) zu entweichen, da durch den schweren Oberflächenschutz die Folientemperatur nicht so hoch war, dass ein rascher Abtrocknungsvorgang gegeben war. Das Holz hat die Feuchtigkeit, welche im Vlies gehalten wurde, aufgenommen. Bei einer Holzfeuchte größer 16%, beginnt der allmähliche Zerstörungsprozess.
Wir wissen, dass die Meinung des Nutzers ohne Fachkenntnis, auch eines Planers, jene ist, dass die Flachdachkonstruktion im Gesamtaufbau trocken sei. Das schon bei der Errichtung durch die Feuchte in der Luft, je nach Jahreszeit, mehr oder weniger Feuchte, nicht von Niederschlag verursacht, eingebaut wird, ist nur der Fachwelt bekannt. Dass im Temperaturzykluswechsel täglich Kondensat anfällt, welches durch die Folie abtrocknen sollte, praktisch auch muss, ist der Fachwelt ebenfalls bekannt. Der schwere Oberflächenschutz dämpft die Oberflächentemperatur der Folie, das heißt, die Porenoffenheit für das Abtrocknen ist um ca. 20°C niedriger als bei frei beschienenen, mechanisch befestigten Abdichtungssystemen.
Der mit Bild 4 dargestellte Schaden ist an einer Kaltdachkonstruktion aufgetreten. Man sollte meinen, das kann gar nicht sein, die Unterlüftung der oberen Schalung trägt Feuchtigkeit ab. Im Zuge der Erhebung waren Sparrenlängen größer 10 m festzustellen, als Zuluft waren 2,5 cm unter einer Stulpschalung an der Fassade messbar und die Abluft war über eine Art Attikakonstruktion mit ca. 3 cm unter der Blechabdeckung ausgeführt. Einen Luftstrom aus der Thermik konnte es nicht geben. Die Lüftung funktionierte und erfüllte den zugedachten Zweck nur, wenn Wind auf die Fassade blies und so für die Durchlüftung gesorgt wurde.
Im zweiten Fall, der vollgedämmten Dachkonstruktion, war dem Eigentümer durch den Blitzschutzbauer bei der periodischen Überprüfung das „weich“ sein der Oberfläche in Teilbereichen gemeldet worden. Die Nachschau ergab, wie mit Bild 3 dargestellt, eine durch Feuchtigkeit angegriffene OSB-Platte als Deckrücklage. Eine an der Oberfläche leicht feuchte Wärmedämmung. Luftraum war keiner vorhanden. Diese Feststellung wurde unmittelbar neben den PV-Elementen getroffen. An einer weiter entfernten Stelle habe ich das Bild 5 im Zuge der Einschau in die Konstruktion aufgenommen. Im Bereich der Dachkonstruktion, ohne Verschattung durch die PV-Elemente, hat die Konstruktion funktioniert.
Beiden Eigentümern war eines gemein, sie wollten die neue Dachkonstruktion mit der Dachhaut aus Folie vom jeweiligen Bauwerksabdichter ohne Kostenersatz neu errichtet haben. Das Argument war, der Schaden ist durch die untaugliche Konstruktion entstanden. Erst das Aufzeigen, dass jedenfalls die Kosten bis auf den nicht verbrauchten Teil von 3 Jahren zu ersetzen wären, führte zu einem Umdenken. Auch war die Dachhaut aus Folie ja nach wie vor in Ordnung, wenn auch die Alterungsspuren und Schrumpf festzustellen waren.
Das Resümee aus diesen beiden Objekten ist, als Bauwerksabdichter muss ich das Erbringen meiner Leistung genauestens dokumentieren und jedenfalls dafür Sorge tragen, dass die Bauaufsicht, der Architekt oder der Auftraggeber selbst bei der Prüfung der Schweißnähte vor der Übergabe anwesend sind und ein Protokoll ausgefertigt wird. Das Prüfen der Schweißnähte hat jedenfalls händisch mit einer Prüfnadel (runder Kopf, 2 mm DN), Schraubenzieher 3 mm Klinge oder mit patentierten Leister Prüfgeräten zu erfolgen. Mit den beliebten Prüfgasverfahren oder Funkenschlagverfahren lässt sich die Funktionsfähigkeit und richtige Verschweißung der Naht nicht prüfen. Wohl findet man Beschädigungen in der Fläche mit Wasserdurchtritt. Ein weiteres Problem stellt die nach Jahren der Nutzung erfolgte Montage einer PV-Anlage dar. Wir wissen, dass Folien mit einer Dicke von 1,8 mm eine Nutzungsdauer nach ÖNORM B 3691 von 20 Jahren haben, jedes Jahr länger ist ein Benefit. PV-Anlagen nach mehr als 10 Jahren der Nutzung einer Flachdachkonstruktion auf dieser zu montieren heißt, dass ich in der Amortisationszeit die Anlage abbauen und nach Herstellung der neuen Dachhaut wieder aufbauen muss. Von den Unwägbarkeiten, eine Nutzung der Dachfläche herbeizuführen, für welche die Konstruktion bei der Errichtung nicht konzipiert war, kann bei Thermoplasten zur Einleitung von Kräften führen, welche zum Versagen an neuralgischen Punkten, wie Ecken und Schweißnähten führt. Grundsätzlich meine ich, dass die Dachflächen der geeignetste Ort zum Aufstellen von Anlagen für die alternative Energiegewinnung sind, jedoch sind die technischen Notwendigkeiten zur schadlosen Nutzung der Flachdachabdichtung bis zum Ende der Gebrauchsdauer zu beachten.
Artikel aus dem Spengler Fachjournal Ausgabe 06/2022 – Autor: Sachverständiger Komm.Rat Gerhard Freisinger
Komm.Rat Gerhard Freisinger
Sachverständiger, Innungsmeister der Dachdecker Steiermark
und Mitglied des AS-Instituts
Tel.: 0316/401296
E-Mail: gfreisinger(at)sv-freisinger.at