Diesmal darf ich Ihnen von einem Fall berichten, den ich selbst in meiner Kanzlei geführt habe und der zu einer Entscheidung des OGH geführt hat. Ich habe in diesem Fall Anrainer eines Transportunternehmens vertreten, welcher auf einer Liegenschaft eine Betriebsanlagengenehmigung beantragt hat.
Bereits im Jahr davor hat der Unternehmer auf dieser Liegenschaft (ohne Genehmigung) Betonschutt mit einer mobilen Brechanlage aufgebrochen, was zu erheblichen Lärmemissionen geführt hat. Nicht zuletzt dadurch, waren die Nachbarn sensibilisiert. In der gewerberechtlichen Verhandlung zur Erlangung der Betriebsanlagengenehmigung hat sich das Transportunternehmern durch einen der Planer vertreten lassen. Die Vollmacht wurde schriftlich erteilt. Der Wortlaut der Vollmacht lautete sinngemäß, sodass der Vollmachtsnehmer berechtigt ist, den Vollmachtgeber bei der Gewerbeverhandlung zu vertreten.
Während der Verhandlung habe ich den Vorschlag unterbreitet, dass meine Mandanten auf Einwendungen verzichten, wenn der Transportunternehmer (durch den Vollmachtsnehmer) die Erklärung abgibt, auf das Aufbrechen von Bauschutt auf der gegenständlichen Liegenschaft auch durch mobile Brecheranlagen oder Hydromeisel zu verzichten bzw. dieses zu unterlassen. Dies wurde im Verhandlungsprotokoll festgehalten und das Protokoll von den Parteien und dem Verhandlungsleiter unterschrieben.
In weiterer Folge hat der Transportunternehmer, diesmal vertreten durch einen Anwalt, bestritten, dass die Unterlassungserklärung für ihn bindend wäre, weil der Vollmachtsnehmer zur Abgabe dieser Erklärung nicht berechtigt gewesen wäre. Ich habe für meine Mandantschaft eine Klage eingebracht. Das Klagebegehren lautete, dass die Wirksamkeit der Vereinbarung festgestellt werden möge.
In I. Instanz wurde die Klage abgewiesen. Das Gericht begründete dies damit, dass eine Vollmacht, die sich auf eine gewerberechtliche Verhandlung bezieht, nicht notwendigerweise zum Abschluss einer zivilrechtlichen Vereinbarung berechtigt und ich bzw. meine Mandantschaft auch nicht auf die Rechtswirksamkeit der Vollmacht vertrauen durfte. Dazu ist festzuhalten, dass die Errichtung einer Brecheranlage oder eine mobile Brecheranlage nicht Gegenstand des Verfahrens war.
Gegen dieses Urteil habe ich Berufung erhoben. In II. Instanz wurde dem Klagebegehren stattgegeben und festgehalten, dass der Abschluss von zivilrechtlichen Vereinbarungen im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens (Betriebsanlagenverfahren, Bauverfahren etc.) nicht unüblich ist. Da der Text der Vollmacht keine Einschränkungen aufwies, musste der Vollmachtsnehmer die von ihm nicht gewünschte Erklärung gegen sich gelten lassen.
Gegen dieses Urteil erhob der Transportunternehmer eine außerordentliche Revision an den OGH, welcher dieser zurückgewiesen hat. In dieser Revisionsentscheidung (2 Ob 127/23z) bestätigte der OGH das Berufungsurteil und bekräftigte, dass derartige (zivilrechtliche) Vereinbarungen im gewerberechtlichen Verfahren immer wieder vorkommen.
Das Gesetz geht auch ausdrücklich davon aus, „dass im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung einer Betriebsanlage eine Einigung über privatrechtliche Einwendungen vor der Verwaltungsbehörde geschlossen werden kann und der Verhandlungsleiter darauf hinwirken soll“ (§ 357 GewO).
Von diesen Grundsätzen ausgehend bestätigte der OGH daher die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung und wurde der Transportunternehmer auch zum Ersatz der Kosten aller Instanzen verpflichtet.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ein Vollmachtsnehmer (wie dies auch einer der diesbezüglichen Merksätze im JUS-Studium ist) „mehr kann als darf“. Welche Beschränkungen und Aufträge der Vollmachtsnehmer im Innenverhältnis (also der Rechtsbeziehung zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtsnehmer) hat, wirkt sich auf das Außenverhältnis (der Rechtsbeziehung zu einem Dritten, z.B. Nachbarn etc.) nicht aus. Es muss für diesen erkennbar sein, dass der Vollmachtsnehmer seine Kompetenz überschreitet, andernfalls ist die Vereinbarung rechtswirksam.
Sollte man daher an der Teilnahme an einer Verhandlung verhindert sein, so lohnt sich jedenfalls die Beauftragung eines Anwalts, der mit diesen Fragen täglich zu tun hat und der für eine allfällige Überschreitung seiner Vollmacht schon aufgrund seiner Berufspflichten haftet.
Mag. Martin Prett
Rechtsanwaltskanzlei
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